Historisches Seminar
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

Handwerker der Gesundheit. Der Bader in der ländlichen Lebenswelt des frühneuzeitlichen Bayern

Dissertationsprojekt von Christine Rogler

Betreuer: Prof. Dr. Ferdinand Kramer

 

Das öffentliche Badewesen Mitteleuropas erlebte im Spätmittelalter eine Hochphase. Badestuben dienten nicht nur der Körperpflege, sondern stellten für die breite Bevölkerung außerdem medizinische Versorgungsstätten dar. Studien zum frühneuzeitlichen Gesundheitswesen legen nahe, dass die zunehmende Brennholzverknappung sowie die Ausbreitung ansteckender Krankheiten das öffentliche Badewesen im 16. Jahrhundert zum Erliegen gebracht hätten. Der Beruf des Baders habe aus diesem Grund einen Wandel vom Betreiber öffentlicher Badestuben hin zum Wundarzt und Chirurg vollzogen.


Im vorliegenden Dissertationsprojekt wird diese gängige Annahme, die vor allem auf Untersuchungen des städtischen Gesundheitswesens beruht, für das frühneuzeitliche Bayern hinterfragt. In Bayern unterlag das ländliche Baderhandwerk einer besonderen Rechtsform, der sogenannten Ehehaft, die dem Bad innerhalb der Gemeinde eine Sonderstellung einräumte. Quellen zur Ehehaft zeigen, dass sich die ursprüngliche Form des Baderhandwerks im Raum Bayern bis ins frühe 19. Jahrhundert halten konnte. Für das ländliche Gesundheitswesen und dessen rechtliche Grundlagen betritt die Arbeit damit Neuland.


Methodisch verortet sich das Projekt in der Landes- und Sozialgeschichte und versteht sich nicht als genuin medizinhistorische Untersuchung des ländlichen Gesundheitsmarkts. Vor allem die Berücksichtigung der mittel- und unterbehördlichen Quellenüberlieferung, die nicht aus der Medizinalverwaltung entstand, öffnet den Blick für weitergehende, das Sozialgefüge und die Lebenswirklichkeit der Bader betreffende Fragen.
Die Organisation der Bader als Ehehaftgewerbe ermöglicht es, die Berufsgruppe nicht nur in ihrer Funktion als Heilkundige zu betrachten, sondern in einem größeren Kontext als Teil der ländlichen Lebenswelt zu begreifen. Ein wesentliches Merkmal der Ehehaft liegt in Aushandlungsprozessen bestimmter Pflichten und Rechte, die sowohl für den Bader als auch die Gemeinde bindend waren. Somit fragt das Dissertationsprojekt nach dem Beziehungsgefüge der Bader – etwa zur Stadt- und Dorfgemeinde, zu Zunftbrüdern, den obrigkeitlichen Behörden und dem Landesherrn. Die Entwicklung, der Alltag und die Lebenswelt eines heute nicht mehr existierenden Berufes wird damit anhand von Akteuren, die mit ihrer Umwelt agieren, aufgezeigt. Damit sind neue Einsichten zum Alltag und den sozialen Verhältnissen des Baderhandwerks im Kurfürstentum Bayern sowie Erkenntnisse zur Gemeindeentwicklung, zum Handwerk und der Wirtschaft als auch zum Gesundheitswesen möglich.