Prekäres Überleben: „Mischehefamilien“ im NS-Regime in Wien – PD Dr. Michaela Raggam-Blesch (Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte München–Berlin)
„The Holocaust and its Contexts“: ZfHS-LMU-Kolloquium
25.11.2025 um 18:15 Uhr
Beginn: 18:00 Uhr c. t., Raum: K 201 (LMU-Raumfinder)
Michaela Raggam-Blesch ist die neue stellvertretende Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien. Sie war Senior Research Fellow am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, wo sie kürzlich ihre Habilitation über „Mischehefamilien” in Wien während der NS-Zeit abgeschlossen hat. Sie ist Principal Investigator des vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Projekts Bonds of Intimacy and Dependency: Survival Strategies of Intermarried Families in Nazi-Dominated Europe.
Eine Kooperation des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte München–Berlin und des Lehrstuhls für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte.
Anmeldung
Eine Anmeldung ist bis zum 24.11.2025 per E-Mail erforderlich: zfhs@ifz-muenchen.de
Beschreibung
Der Vortrag beleuchtet die Situation von sogenannten „Mischehefamilien” in Wien. Im Kontext der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ehen zwischen Juden und Nichtjuden sowie deren „halbjüdische” Nachkommen als Bedrohung für die Integrität des NS-Regimes. Insbesondere nichtjüdische Ehepartnerinnen wurden vielfach unter Druck gesetzt, sich von ihren jüdischen Partnern zu trennen. Auf der Wannseekonferenz und ihren Folgetreffen im März und Oktober 1942 spielte das „ungelöste Problem” der „Mischehen” eine zentrale Rolle. Interne Differenzen und die Befürchtung, nichtjüdische Familienangehörige könnten öffentliche Unruhen hervorrufen, bewahrten diese Gruppe weitgehend vor der Deportation, auch wenn Pläne zur Einbeziehung „halbjüdischer” Nachkommen und jüdischer Ehepartner in die Deportationen nie aufgegeben wurden. Nach dem Krieg wurden Angehörige dieser Familien häufig als „privilegierte Opfer” wahrgenommen, denen „nichts geschehen” sei, da sie zumeist nicht deportiert wurden – eine Zuschreibung, die auch das Selbstverständnis der Verfolgten in der Nachkriegszeit prägte. Im Zentrum des Vortrags steht demgegenüber der von Unsicherheit und Abhängigkeitsverhältnissen geprägte Alltag dieser Familien. Sichtbar werden dabei die tiefgreifenden Auswirkungen der Verfolgung bis in die intimsten sozialen Beziehungen sowie die brüchigen Grenzen und Ambivalenzen zwischenmenschlicher Bindungen unter der NS-Herrschaft, die mitunter auch zerbrachen.