„For Hunger Brekythe the Stone Walle” – Die Städte unter Belagerung des Hundertjährigen Krieges (1337-1453)
Dissertationsprojekt von Maria Pieschacon-Raffael
Betreuerin: Prof. Dr. Julia Burkhardt
„For Hunger brekythe the Stone Walle” heißt es in dem Gedicht des John Page über Rouen unter Belagerung im sog. „Hundertjährigen Krieg“ (1337-1453). Page, einer der vielen englischen Soldaten, die im Jahre 1418 nicht zum letzten Mal vor den Mauern Rouens lagern sollten, beobachtete aus nächster Nähe Hunger, Verzweiflung und soziale Krisen in der französischen Stadt unter Belagerung. Doch er erkannte in der Resilienz der geplagten Bevölkerung nicht nur ein taktisches Hindernis, sondern auch eine ganz eigene Stärke und schilderte – trotz offener Parteinahme für die Seite der Angreifer – wesentliche Phänomene der Verteidiger in Bedrängnis, die von der bisherigen Forschung vernachlässigt worden sind. Dieses Desiderats möchte sich meine Dissertation annehmen und ergründen, welchen Transformationsprozessen ausgewählte resiliente französische Städte unter Belagerung im Hundertjährigen Krieg mehrfach unterworfen waren und wie diese den sozialen Raum, kommunikative Strategien, ökonomische Handlungsspielräume und das politische Gefüge veränderten.
Was bedeutet nun Resilienz in einer Stadt unter Belagerung? Wurden soziale Verwerfungen durch die plötzlich so scharf akzentuierte Enge des städtischen Raums in Gang gesetzt? Gab es kommunikative Strategien, um die Welt vor den Mauern zu erreichen oder die Belagerungserfahrungen in der Erinnerung festzuhalten? Welche wirtschaftlichen Maßnahmen konnte eine betroffene Stadt ergreifen und wie wirkten sie sich auf das überlebenswichtige Umland aus? Wie veränderten sich politische Handlungsspielräume, entstanden neue Loyalitäten durch das Arrangement mit den englischen Besatzern?
Zur Klärung dieser Fragen wird meine Dissertation die Resilienz von französischen Stadtgemeinschaften unter Belagerung im Hundertjährigen Krieg (1337-1453) anhand von zehn Fallbeispielen und mithilfe von vier Analyseperspektiven (Akteure und sozialer Raum, Kommunikative Strategien, Ökonomische Handlungsspielräume und Regulierungs- und Sanktionierungsmaßnahmen) erforschen. Sie verfolgt einen sozialhistorischen Ansatz und wendet sich gegen das alte Verständnis von Städtebelagerungen als primär militärischen Unternehmungen der Angreifer. Die Arbeit nimmt stattdessen die Verteidiger jener Städte unter Belagerung vergleichend in den Blick und betrachtet das Phänomen somit – erstmalig in der Forschung – durch die Linse der geplagten, in die Defensive gedrängten Bevölkerung, die sich des Angriffs auf ihre Integrität, Freiheit und Sicherheit erwehren musste.