Historisches Seminar
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Den Krieg ernähren. Bayerns Mobilisierung natürlicher Ressourcen zur Versorgung seiner und verbündeter Armeen im Dreißigjährigen Krieg

Dissertationsprojekt von Franziska Sedlmair

Betreuer: Prof. Dr. Ferdinand Kramer

 

Wohl mit kaum einem anderen Krieg in der Vormoderne werden eher Plünderungen oder Raubzüge von Seiten der Soldaten in Verbindung gebracht, als mit dem Dreißigjährigen Krieg. Die Versorgung der Soldaten war ein wie es A. Ackermann nennt „kriegsentscheidendes Machtmittel“ (Ackermann 2016, 276). Doch um diese Art der Verpflegung, bei der Ressourcen meist durch Soldaten unter Gewalteinwirkung von der Zivilbevölkerung eingefordert wurden, soll es nicht gehen. Zwar gibt es P. Wilson und J. Landers (Wilson 2018, 239; Landers 2005, 209) zufolge verschiedene Methoden der Ressourcenextraktion, dennoch richtet dieses Projekt den Blick dezidiert auf die von Herzog bzw. Kurfürst Maximilian I. v. Bayern (1573-1651) organisierte Mobilisierung natürlicher Ressourcen zur Versorgung seiner mobilen Armeen. Der Begriff der natürlichen Ressourcen wird weit gefasst. Darunter versteht das Projekt in Anlehnung an Ansgar Schanbacher (Schanbacher 2020, 7) verschiedene, für Gesellschaften, im Speziellen für das Militär nutzbargemachte Vorkommnisse der Natur wie Nahrung, Futter aber auch mechanische Energie in Form von Zugkraft z.B. durch Pferde.


Vier Fragestellungen präzisieren den Untersuchungsgegenstand. Die erste, querschnittartig angelegte Frage fragt nach dem Einfluss jahreszeitlicher sowie raumbezogener Spezifika auf die Organisation und Umsetzung der Ressourcenmobilisierung. Die Umwelt war nicht nur Ursprung und Nährboden der benötigten Ressourcen, in ihren Kontexten vollzogen sich auch die gesamten Prozesse der Ressourcenmobilisierung. Zum zweiten fragt die Arbeit danach, woraus sich eine bayerische Ressourcenverwaltung für die Krieg rekrutierte und wie sich ihre administrative Kultur gestaltete. Hier interessieren die fluiden Verwaltungsstrukturen, die sich aus bestehenden Behörden und Ämtern bildeten, ebenso wie die verschiedenen Methoden der ressourcenbezogenen Wissensgenerierung, die Kommunikationsprozesse, Hierarchien und die Ermessensspielräume der Beteiligten. Drittens rückt die Arbeit verschiedene Praktiken und Einrichtungen in den Fokus, die die Arbeit als ‚kriegsrelevante und Infrastrukturen‘ bezeichnet. Das konnten u.a. Mühlen, Öfen, Flüsse, Scharwerk, Magazine oder Proviantplätze sein. Das sie alle verbindende Merkmal war die Zugänglichmachung von natürlichen Ressourcen. Hier geht es also um die Frage, inwiefern diese Infrastrukturen einen zu kalkulierenden Aspekt innerhalb der Ressourcenmobilisierung ausmachten. Die letzte Frage geht der Rolle der bayerischen Ressourcenmobilisierung im interterritorialen Gefüge nach. Dabei geht es einmal um Ressourcenbewegungen in Form von Lieferungen, wenn beispielsweise Ressourcen aus benachbarten Territorien rekrutiert wurden, aber auch um den Wechsel von Besitzverhältnissen, wenn z.B. Proviant des Gegners an sich genommen wurde.

Als zentrale Quellen liegen der Arbeit die Korrespondenzen der verschiedenen bayerischen Behörden und Kommissionen zu Grunde, die gemeinsam mit weiteren Akteuren wie beispielsweise Militärs eine Art ‚Ressourcenverwaltung für den Krieg‘ mit fluiden Strukturen bildeten, die selbstredend nicht den Maßstäben einer Verwaltung im heutigen Sinne entsprach. Die Überlieferung der bayerischen Mittel- und Unterbehörden soll zusätzlich herangezogen werden, damit die Kooperation der Amtsträger auf allen Ebenen rekonstruiert werden kann. Um auch grenzüberschreitende Ressourcenströme nachvollziehen, aber auch um eine vergleichende Perspektive einnehmen zu können, werden einschlägige Bestände der Archive in Wien, Paris und Stockholm hinzugezogen. Die Studie entsteht am Lehrstuhl von Prof. Dr. Ferdinand Kramer (Ludwig-Maximilians-Universität München). Über die Landesgeschichte hinaus berührt sie auch Aspekte der Militärgeschichte, Umweltgeschichte und Infrastrukturgeschichte.


References
Ackermann, Astrid. 2016. Die Versorgung als kriegsentscheidendes Machtmittel und die publizistische Wahrnehmung des Krieges: Der dreißigjährige Krieg am Oberrhein. In Krieg und Kriegserfahrung im Westen des Reiches 1568-1714, ed. Andreas Rutz, 275-98. Göttingen: V&R unipress.


Landers, John. 2005. The Field and the Forge: Population, Production, and Power in the Pre-Industrial West. Oxford: Oxford University Press.


Schanbacher, Ansgar. 2020. Einleitung - Begrifflichkeiten und Forschungskonzepte. In Ressourcen in historischer Perspektive: Landschaft, Literatur und Nachhaltigkeit, ed. Ansgar Schanbacher, 3-17. Göttingen: Göttingen University Press.


Wilson, Peter H. 2018. War Finance, Policy and Strategy in the Thirty Years War. In Dynamik durch Gewalt? Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) als Faktor der Wandlungsprozesse des 17. Jahrhunderts, ed. Michael Rohrschneider and Anuschka Tischer, 229-50. Münster: Aschendorff Verlag.