Kulturpolitik oder Bürgerkukltur? Die Institution der historischen Kreisvereine im Königreich Bayern
Dissertationsprojekt von Gregor Jakob
Betreuer: PD Dr. Christof Paulus
Das moderne Vereinswesen war im 19. Jahrhundert zweifelsfrei die soziale Organisationsform schlechthin und in vielerlei Hinsicht prägend für Freizeit, Kunst und Kultur, soziale Fürsorge, Wirtschaft und Politik. Dies gilt nicht zuletzt für das weite Feld der außeruniversitären Geschichtspflege, das vor allem von historischen Vereinigungen bedient und mitgestaltet wurde. Denkmalpflege und Museumswesen, lange Zeit klassische Arbeitsfelder gemeinnütziger Organisationen, bilden hierfür mitunter prägnante Beispiele. Allerdings hatte der private Geschichtsverein kein Monopol auf die Ausgestaltung historischer Erinnerung. Auch der moderne Verwaltungsstaat nahm Geschichte zunehmend als eigenständiges Politikfeld wahr. Auf diese Weise kreuzten sich im Bereich der öffentlichen Geschichtspflege gesellschaftliche, in der noch jungen Sozialform des Vereins organisierte Geschichtsarbeit auf der einen sowie staatlich betriebene Geschichtspolitik auf der anderen Seite. Diesem Spannungsgeflecht im Verlauf des „langen“ 19. Jahrhunderts näherzukommen, ist im weitesten Sinne Ziel des Projekts.
Einem landesgeschichtlichen Ansatz folgend – öffentliche Kulturpolitik etablierte sich als institutionalisierte Staatspolitik im 19. Jahrhundert überwiegend auf partikularstaatlicher Ebene –, stehen hierbei die von König Ludwig I. in den 1830er-Jahren aus integrationspolitischen Motiven ins Leben gerufenen bayerischen „Kreisvereine“ im Zentrum der Betrachtung. Der „Historische Verein für Schwaben und Neuburg“ fungiert – ohne die anderen sieben Kreisvereine und ihre jeweiligen Regionen bzw. Regierungsbezirke gänzlich aus dem Blick zu verlieren – mit seinem zu großen Teilen unerschlossenen Vereinsarchiv wiederum als exemplarisches Fallbeispiel. Anhand einer Längsschnittanalyse, die rechtsgeschichtliche, soziologische sowie allgemein historische Ansätze kombiniert, wird dieser sowohl institutionell als auch historiographisch tiefenanalytisch auf erkennbare Verbindungslinien zu Staat und Monarchie befragt. Zentrale Kernaspekte bilden hierbei mitunter personelle Verflechtungen, obrigkeitliche Steuerungsversuche, staatliche Subventionen, Kooperationen in Form gemeinsamer Projekte, aber auch privat-staatliche Konfliktpotentiale. Auf historiographischer Untersuchungsebene gilt es ferner zu klären, wo die jeweiligen Kreisvereine ihre nach administrativen Begebenheiten zugeordneten Arbeitsgebiete in dem sich stark wandelnden Staatsgefüge des 19. Jahrhunderts historisch verortet sahen.