"Homines sovietici"? - Die Deutschen und andere nationale Minderheiten in der Sowjetunion nach 1956
Dissertationsprojekt von Helene Henze
Betreuer: Prof. Dr. Andreas Renner
Ausgehend von den traumatischen Erfahrungen der Deportation im Zuge der Mobilmachung in die sogenannte Arbeitsarmee und des Freiheitsentzugs unter dem Sondersiedlerstatus geht mein Dissertationsprojekt der Frage nach, wie sich die Re-Integration der zuvor repressierten nationalen Minderheiten, v.a. der Deutschen und Polen, in den sowjetischen Staat nach 1956 vollzog. Beantwortet wird diese Frage zum einen durch die Analyse archivalischer Quellen, die Einblicke in politische, wirtschaftliche und ideologische Entscheidungen in Moskau, Almaty, Bischkek und Taschkent geben. Kombiniert wird diese Herangehensweise mit dem biografischen Ansatz, der auf lebensweltlicher Ebene den Nachvollzug der Normalisierung der individuellen Lebensverläufe erlaubt. Leitend für beide Zugänge ist die Überlegung, ob und wie die staatlich gelenkten Sozialisationsprozesse in der Sowjetunion nationale und kulturelle Zugehörigkeiten überlagerten und Verhaltensweisen und Einstellungen determinierten, die zusammenfassend als sowjetische Prägung oder als gewünschtes Endprodukt, "homines sovietici", bezeichnet werden. Ziel der Arbeit ist es, eine bisher fehlende Geschichte der Sowjetdeutschen in der Zeit des Spätsozialismus zu schreiben, aber auch für die historisch bedingte Eigenart der heute größtenteils als Spätaussiedler in Deutschland lebenden Menschen zu sensibilisieren.