Von Sittlichkeit zu Selbstbestimmung? Zur gesellschaftlichen und rechtlichen Wahrnehmung sexualisierter Gewalt an Erwachsenen in (west-)deutschen und englischen Großstädten, 1920er-1970er Jahre
Dissertationsprojekt von Lisa Hellriegel
Betreuerin: Prof. Dr. Veronika Settele
Wie wandelte sich die gesellschaftliche und rechtliche Wahrnehmung von sexualisierter Gewalt an Personen über dem Schutzalter zwischen dem Beginn der Weimarer Republik und dem Ende der langen 1960er Jahre? Das bundesrepublikanische Vierte Gesetz zur Strafrechtsreform 1973 begriff sexualisierte Gewalt an Erwachsenen (§ 177 StGB, bis dahin „Notzucht“, seither „Vergewaltigung“) erstmals als Straftat gegen die „sexuelle Selbstbestimmung“, nicht mehr gegen die „Sittlichkeit“. Damit änderte sich die über ein Jahrhundert lang vorherrschende Konzeption sexualisierter Gewalt. Das Projekt fragt, welche Rolle Rechtspraxis und gesellschaftliche Diskussionen zu sexualisierter Gewalt für diesen Wandel spielten. Der Arbeit liegen Gerichts- und Polizeiakten sowie medizinische und psychiatrische Gutachten, Zeitungsberichte und Egodokumente zugrunde.