Historisches Seminar
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Die Ernährung der Stadt München im NS

Dissertationsprojekt von Marlis Lapazinski

Betreuerin: Prof. Dr. Margit Szöllösi-Janze

 

 

Städte und Gemeinden bildeten jene staatliche Ebene, mit der die Bevölkerung engsten und alltäglichen Kontakt pflegte, die grundlegende Leistungen der Daseinsvorsorge bereitstellte und ideologische Vorstellungen vor Ort umsetzte. Das Forschungsprojekt zum Thema Ernährung in der „Hauptstadt der Bewegung“ spannt einen Bogen von der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln bis hin zur emotionalen Bedeutung von Nahrung im Nationalsozialismus. Es überprüft, wie die NS-Ideologie die Ernährung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen bestimmte und wie sich somit die ‚rassischen‘ und sozialen Hierarchien der „Volksgemeinschaft“ auf lokaler Ebene realisierten. Die Kontrolle des Lebensmittelzugangs war eine Möglichkeit, Minderheiten, „Gemeinschaftsfremde“ und Systemverweigerer zu entrechten, zu verfolgen und letztlich auch zu vernichten. Zudem eröffnet der Forschungszugang einen genaueren Blick in die wirtschaftlichen Aspekte nationalsozialistischer Herrschaftspraxis, die dem Ziel ökonomischer Autarkie aufgrund der Erfahrungen im Ersten Weltkrieg gerade im Bereich der Lebensmittelversorgung einen besonderen Stellenwert einräumte.

Das Forschungsprojekt möchte ernährungspolitische Diskurse, Entscheidungen und Praktiken der Stadt München offenlegen, um kommunale Handlungsräume freizulegen und ihr Verhältnis zu übergeordneten Einrichtungen zu analysieren. Herrschaft erscheint so als komplexes System vielfältiger Machträume und Aushandlungsprozesse. In Anlehnung an die neuere Forschung, die die kommunalen Spielräume vor allem zu Kriegszeiten vergrößert sieht, überprüft das Projekt, inwieweit München auf dem Gebiet der Ernährung über solche verfügte, sie schuf und gegebenenfalls ausgestaltete: Wie wirkten Zäsuren auf die städtische Ernährungswirtschaft und Lebensmittelversorgung? Inwieweit konnte die Bevölkerung Empfehlungen oder Vorschriften mitgestalten, eigensinnig auslegen oder sogar unterwandern? In welcher Beziehung stand die Stadt zu ihrem agrarischen Umland? Welche Mittel nutzte die Stadt, um Konsumentenverhalten zu beeinflussen? Welche Bedeutung hatte die Kategorie „Geschlecht“ in diesem Untersuchungsfeld?